Sportvg Feuerbach Info 03/2024

14 15 Wer an die Sportart Ringen denkt, denkt an kräftige Sportlerinnen und Sportler, die sich im Kampf fest umklammern und auf den Mattenboden werfen oder reißen möchten. Klingt alles sehr simpel, ist es auch fast. Hinter der Sportart, die bereits in der Antike unter demNamen „Pale“ als eine Disziplin des Fünfkampfs bei Olympischen Spielen betrieben wurde, steckt trotzdem so viel mehr. Andreas Bickele, Abteilungsleiter der Ringer bei der Sportverei- nigung Feuerbach, erklärt die Regeln kurz und knapp: „Ringen hat einfache Regeln.Wer seinen Gegner auf den Rücken zwingt, hat gewonnen.“ Schlagen, Ziehen anHaaren oder Fingern, Treten oder garWürgen sind nicht erlaubt. Es gibt dabei zwei verschiedene Arten zu siegen: Bei einem Schultersieg bringt der Ringer beide Schultern des Gegners auf denMattenboden. Der Kampf ist damit sofort entschieden. Zum anderen entscheidet die Kampfleitung oder ein Kampfrichter anhand eines Punktesystems über Sieg und Niederlage. Die vielen verschiedenen Wurftechniken, Schleuder- und Hebelgriffe ergeben je nach Schwierigkeit zwischen ein und fünf Punkten.Wer amEnde der maximal sechs Minuten dauernden Kampfzeit die meisten Punkte hat, hat gewonnen. Wer das Ringen bei den Olympischen Spielen in Paris verfolgt hat, weiß, dass es die Arten „griechisch-römisches Ringen“ und „Freistilringen“ gibt. Vereinfacht gesagt, liegt der Unterschied in der Angriffsfläche: Beim griechisch-römischen Ringen gilt im Stand- und Bodenkampf nur der Körper oberhalb der Gürtellinie, beim Freistilringen der gesamte Körper als Angriffsfläche. Was in beiden Stilrichtungen gleich ist, ist die Klassifizierung in Gewichtsklassen – von 50 Kilogramm bei den Damen im Freistilringen bis hin zu 130 Kilogramm bei den Herren im griechisch-römischen Ringen. Wie auch in anderen Sportarten heißt es für die Ringer vor Wettkämpfen „Gewicht machen“. Um kein Gramm zu viel oder zu wenig auf der Waage zu haben und somit eine Disqualifikation zu vermeiden, müssen die Sportler zwei bis drei Wochen vor demWettkampftag ganz genau auf ihre Ernährung achten. Die einen Profisportler müssen dann eher abnehmen, andere müssen hingegen ein paar Kilogramm zulegen. Das hört sich gar nicht so leicht an; denn um für eine Gewichtszunahme einfach nur mehr Cola zu trinken und Pommes zu essen, ist für die sportliche Leistung auch kontraproduktiv. Ernährungstechnisch also gar nicht so leicht. Alleine das zeigt, wie diszipliniert Ringer seinmüssen, umerfolg- reich zu sein. Nicht zu vergessen ist eine, wie Andreas Bickele es bezeichnet, „umfassende Grundausbildung“. Und weiter: „Eine solide Grundausbildung ist im Ringen immer nötig. Das heißt wir turnen viel, arbeiten an Beweglichkeit und Ausdauer.“ Gerade Elemente des Turnens mit seinen vielen Kraft- und RINGEN – MEHR ALS NUR EIN NATÜRLICHES KRÄFTEMESSEN! SPORTVG FEUERBACH AKTIVE SPORTVG FEUERBACH AKTIVE Gleichgewichtsübungen bieten sich an. Reine Muskelkraft in Bi- und Trizeps nutzen dem Ringer wenig, wenn die Kraft in Beinen, Schultern und Rücken fehlt. Es werden nahezu alle Muskelgruppen trainiert, so dass den Sportler eine stabile Muskulatur formt. Steht bei einer Trainingseinheit von Andreas Bickele zunächst Beweglichkeit und Ausdauer imVordergrund, werden im zweiten Teil die vielen verschiedenen Grifftechniken geübt. Die letzten zehnMinuten geht es dann zumKampf auf die Matte, die neunMeter Gesamtdurchmesser misst, die zentrale Kampfflä- che davon hat einen Durchmesser von siebenMeter. Fragt man den 57-jährigen Abteilungsleiter, was ihn an der Sportart so fasziniert, so liegt es an der Natürlichkeit des Sports: „Für mich zeichnet sich das Ringen dadurch aus, dass es dem natürlichen Kräftemessen entstammt. Kinder beginnen ganz natürlich damit, sich zu raufen. Daher finden wir Ringen oder vergleichbare Sportarten in allen Kulturen und Zeiten.“ Ein ande- rer Aspekt ist für Bickele die Fairness: „Alles was geeignet wäre, einen Gegner zu verletzen oder ihmunnötige Schmerzen zuzufügen, ist verboten.“ Eigene Grenzen kennenzulernen und die des Gegenübers einzuschätzen und zu respektieren, gehört selbstverständlich dazu. Andreas Bickele lebt das Ringen, hat früher selbst in der Ober- und Verbandsliga gerungen. Der selbständige Ingenieur ist nicht nur seit rund 20 Jahren Abteilungsleiter, sondern inzwischen auch der einzige Trainer der Sportvg-Ringer. Die Leidenschaft für die in ganz Europa, in Russland und in den USA populäre Sportart hat Andreas von seinemVater geerbt, der Teil der erstenMannschaft war und ihnmit ins Training nahm. Kaum vorstellbar, dass die mit knapp 20Mitgliedern heute kleinste Abteilung der Sportvereinigung Feuerbach einst große Erfolge und Sportler hervorbrachte: Neben zahlreichen Deutschen und WürttembergischenMeistertiteln erreichte Yavuz Selekmann 1961 den dritten Platz bei derWeltmeisterschaft, Hermann Kettner wurde 1911 sogarWeltmeister und schon zwölf Jahre zuvor holte Gotthold Oettinger denWeltmeistertitel imSchwer- gewicht nach Feuerbach. Welch Erfolg für die 1898 gegrün- dete Abteilung! Wer jetzt Lust verspürt, Teil dieser langen Ringer-Tradition bei der Sportvg zu werden, kann sich bei Andreas Bickele melden. Die Kleinsten können schon mit vier bis fünf Jahren mit dem Ringen anfangen. Außer ein bisschen Sportlichkeit und die Bereitschaft sich eins zu eins mit demGegenüber zu messen, braucht man keinerlei Voraussetzungen fürs Ringen. Wer weiß, vielleicht kann Andreas Bickele bald auf mehr Unterstützung und Ringer-Mitglieder zählen, sodass die Sportvereinigung Feuerbach wieder ihre eigene Mannschaft aufstellen kann. Es wäre ihm und demVerein zu wünschen. Trainingszeiten: Donnerstags um 18:00 Uhr in der Hugo-Kunzi-Halle für Schüler und Jugendliche Kontakt: Andreas Bickele a.bickele@ibb-stuttgart.de | Telefon 0711/855024 https://sportvg-feuerbach.de/sportangebote/ringen Schon gewusst? ● Der längste Ringkampf dauerte 11 Stunden und 40 Minuten! Der Kampf des späteren Siegers, des Esten Martin Klein, über den Finnen Alfred Asikainen bei den Olympischen Spielen 1912 in Stockholm schrieb Geschichte. ● Das Internationale Olympische Komitee (IOC) wollte 2013 das Ringen aus dem Programmder Olympischen Spiele für das Jahr 2020 nehmen. Es widerrief seine Entscheidung nach einemweltweiten Aufschrei, bei dem Staaten wie USA, Iran und Russland an einem Strang zogen. ● Deutschland ist eines von ganz wenigen Ländern, in denen es ein Ligensystem für Mannschaftskämpfe gibt. Daher gilt die seit 1964 bestehende Bundesliga der Ringer als stärkste Liga der Welt. Die Muskulatur des ganzen Körpers wird beim Ringen beansprucht (Bild: Niklas Stechele im blauen Anzug bei der U23-Weltmeisterschaft). Hier, bei den Deutschen Meisterschaften der U17, sieht man, warum Beweglichkeit für Ringer so wichtig ist. INFO-MAGAZIN 3-2024 INFO-MAGAZIN 3-2024

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