Sportvg Feuerbach Info 04/2019

4 Sportvg Feuerbach „Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt“ Von Friederike Herget Nach fast 20 Jahren kehrt Matthias Ranke der Sportvereinigung Feuerbach als Ge­ schäftsführer den Rücken. Zum 1. Januar 2020 wird der in Schleswig-Holstein ge­ borene Vizepräsident Geschäftsführung und Leiter der Stuttgarter Geschäftsstelle des Schwäbischen Turnerbunds STB. Im Interview mit Friederike Herget blickt er auf die auf die vergangenen Jahre zurück. Als im Mai bekannt wurde, dass Du neuer Vizepräsident Geschäftsführung beim Schwäbischen Turnerbund wirst, waren viele im Verein überrascht. Was hat Dich dazu bewogen, diese neue Herausforderung an­ zunehmen und die Sportvg zu verlassen? Als ich gefragt wurde, ob ich mir vorstellen könne, die Nachfolge von Wolfgang Fleiner als Vizepräsident Geschäftsführung anzu­ treten, fühlte ich mich zunächst sehr ge­ ehrt. Ich habe lange darüber nachgedacht. Fast 20 Jahre für unseren Verein da zu sein und mit ihm durch Höhen und Tiefen zu gehen, das gibt man nicht so ohne weiteres auf und lässt los. Letztendlich habe ich mich aber gefragt, ob ich beruflich nochmal die Möglichkeit bekommen würde, eine kom­ plett andere Aufgabe zu übernehmen; schließlich habe ich mit meinen 55 Jahren fast Zweidrittel des Arbeitslebens hinter mir. Zu einem anderen Breitensportverein wäre ich nämlich nicht gewechselt. Man mag meinen, dass Du schon immer im Sportbereich gearbeitet hättest… Nein, ich bin absoluter Quereinsteiger. Ich habe in Lübeck Betriebswirtschaft (BA) im Industriebereich studiert. 1988 zog es mich in den Süden, wo ich unter anderem als Niederlassungsleiter einer Firma für Reinigungstechnik und Nutzfahrzeuge in Schwieberdingen und später als Vertriebs- und Marketingleiter einer Software-Firma in Ditzingen gearbeitet habe. Mitte der 1990er-Jahre hat es mich dann zunächst sportlich nach Feuerbach gezogen, wo ich 1994 Mitglied in der Basketball-Abteilung der Sportvg wurde, die ich dann später auch ehrenamtlich geleitet habe. Und wie wurdest Du dann Geschäftsführer des Vereins? Ende der 1990er Jahre war der Verein, wie wir alle wissen, in einer existenzbedrohen­ den Lage: die finanziellen Belastungen für den Spielbetrieb der Volleyballerinnen in der ersten Bundesliga waren zu hoch, der Bau des Vitadroms lastete auf dem Verein, weil es nicht das abwarf, was einkalkuliert war. Als im Jahr 2000 das damalige Präsi­ dium unter der Führung von Herbert Rall beschloss, wieder einen hauptamtlichen Geschäftsführer einzustellen, um unter anderem die drohende Insolvenz abzuwen­ den, bewarb ich mich. Ich war in dieser Zeit beruflich auf der Suche nach etwas Neuem und fand die Idee toll, Beruf und Hobby unter ein Dach zu bekommen. Ich dachte, dass ich den Job zwei Jahre mache, optional vielleicht noch ein weiteres Jahr. Danach würde ich in die freie Wirtschaft zurück­ kehren… Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt. War die Abwendung der Insolvenz auch Deine größte Herausforderung bei der Sportvg? Ja, das war es. In den ersten Jahren als Ge­ schäftsführer wurde uns von den Gläubigern immer so viel Geld gelassen, dass wir gera­ de so überleben, uns aber nicht weiterent­ wickeln konnten. Es gab so viele Ideen, uns aus dem negativen Sog zu ziehen, aber wir hatten kein finanzielles Polster, um diese auch umzusetzen. Das Heft des Handelns hatten bis 2006 die Banken in der Hand. Wir fühlten uns wie in einem Hamsterrad. Erst als die Stadt Stuttgart uns eine Wirt­ schafts- und Finanzberatung zur Seite ge­ stellt hatte und wir 2007 mit den Banken einen Schuldenschnitt in einem so genann­ ten Besserungsschein, der übrigens im Juni 2017 ablief, vereinbart hatten, konnten wir aufatmen. Heute ist die Sportvg ein finan­ ziell gesunder, von keinem Fremdkapital ab-hängiger Verein mehr. Der Moment, in dem ich den Besserungsschein in den Händen hielt, zählt definitiv zu einem der vielen besonderen Augenblicke bei der Sportvg. Welche anderen besonderen Momente gab es noch? Auch für Dich persönlich vielleicht? Als ich als Geschäftsführer angefangen habe, war die Sportvg Feuerbach kaum ver­ netzt, war in sportpolitischen Fragen nicht involviert. Klar, solange es keinen haupt­ amtlichen Geschäftsführer gab, war das auch schwierig. Als wir die Insolvenz abge­ wendet hatten und wieder Boden unter den Füßen hatten, kam Roland Medinger, Geschäftsführer des erfolgreichen VfL Sindelfingen, auf mich zu, und lud mich ein, bei einem Treffen von 15 Geschäftsführern anderer Sportvereine aus der Region teilzu­ nehmen. Dieser Ruf in diesen, ich sage mal, „erlauchten Kreis“ war 2008 wie ein Ritter­ schlag. Jetzt wurde die Sportvg wieder wahr- und ernstgenommen. Seitdem gehört die Sportvg diesem informellen Netzwerk an. Und was mich ganz besonders ehrt und freut, ist, dass ich auch weiterhin als Ver­ treter des Schwäbischen Turnerbundes daran teilnehmen darf. Übrigens wird auch mein Nachfolger, Dr. Benjamin Haar, die­ sem Kreis angehören. Er hat schon so einen guten Namen in der hiesigen Sportwelt, dass das Vereinsnetzwerk entschieden hat, dass er als Vertreter der Sportvg Feuerbach ebenfalls diesem Kreis angehören soll. Was wird sich für Dich mit der neuen Aufgabe beim Schwäbischen Turnerbund ändern? Ich werde künftig weniger operativ, viel mehr konzeptionell arbeiten. Bei der Sportvg ging es darum, die Position in der Region zu festigen und auszubauen. Beim Schwäbischen Turnerbund mit seinen über 700.000 Mitgliedern ist die Aufgabe poli­ tischer. Es geht darum, sich den Problemen und Themen der Vereine anzunehmen, Grundsatzfragen zu diskutieren und auf politischer Ebene einzubringen. Mir geht es vor allem darum, dass die Zusammenarbeit mit der Basis, also mit den Aktiven in den Vereinen, nicht verloren geht. Ich sehe momentan die Gefahr, dass sich der Ver­ band aufgrund seiner Größe zu sehr um sich selbst kümmert. Da möchte ich helfen, dies zu ändern. Matthias Ranke

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