Sportvg Feuerbach Info 01/2017
5 Sportvg Feuerbach bach auch mal lustig zu. „Nach dem Sport geht es mir besser“, sagt Renate Beck. Kerstin Zentgraf kann diese Erfahrung mehr oder weniger für alle Gruppen bestätigen, die das Projekt durchlaufen haben. Dass die insgesamt 80 Teilnehmer von der einen Trainingsformmehr profitiert hätten als von der anderen, habe sich aber nicht heraus- gestellt, erklärt die Bereichsleiterin Sport management bei der Sportvg Feuerbach. Fast alle haben ihr kognitives Niveau gehalten „Insgesamt gibt es eine Tendenz, dass die Teilnehmer ihr motorisches und kognitives Niveau fast alle halten konnten“, sagt Zentgraf. „Den abfallenden Verlauf konnten wir stoppen. Und es scheint so zu sein, dass sich jegliche sportliche Aktivität positiv aus wirkt, egal welche Form es ist.“ Ausdauer, Kraft oder Koordination scheinen also gleichermaßen positiv auf den Verlauf der Demenz zu wirken. Das erweitert das Bewegungsangebot. Die Seniorensportler in Stuttgart-Feuerbach zeigen damit im Kleinen einen Weg für den Umgang mit dem Thema Demenz auf, der auch für die deutsche Bevölkerung im Großen gewinn- bringend sein könnte. Denn die gesellschaft liche Relevanz der Krankheit wird im Zuge des demografischen Wandels enorm steigen. Gibt es aktuell etwa 1,3 Millionen Demenz kranke, werden es im Jahr 2050 schon rund 2,6 Millionen sein. So lauten zumindest die wissenschaftlichen Prognosen. Lebensqualität heißt auch: soziale Teilhabe Auch die Professorin Nadja Schott, die das Feuerbacher Projekt wissenschaftlich aus- gewertet hat, kennt diese Zahlen. Aber sie ist auch überzeugt, dass Betroffene mit körperlichen Aktivitäten etwas für sich tun können. Bei den Gruppen in Feuerbach sehe man eine Tendenz, dass Bewegung den Verlauf positiv beeinflussen könne, erklärte die Leiterin des Sportinstituts an der Uni versität Stuttgart vor wenigen Monaten in einem Fernsehbeitrag des NDR. Man werde den Verlauf nicht stoppen und die Menschen nicht heilen können. „Aber wir können zu mindest dafür sorgen, dass die Lebensqualität für einen deutlich längeren Zeitraum auf- rechterhalten werden kann.“ Weil die Frage, ob sich Menschen mit sich und ihrem Leben wohlfühlen, aber nicht nur von der körper- lichen Gesundheit abhängt, geht es bei Demenzerkrankungen immer auch noch um etwas anderes: soziale Teilhabe. Denn Menschen mit Gedächtnisstörungen ziehen sich ab einem bestimmten Grad ihrer Ein schränkung oder Krankheit häufig zurück – weil es für sie keine passenden Angebote gibt und weil sie den Weg zu den Sport stätten ohne Begleitung nicht mehr finden. Oder weil sie sich für ihren Zustand schä- men. Renate Beck berichtet, dass sich ihr Gedächtnis durch den Sport wieder ver bessert hat, sagt dann aber noch etwas anderes: „Hier hat man Kontakte, das ist sehr wichtig.“ Nun sitzt sie mit einer ande- ren Teilnehmerin im Bistro des Vitadrom gemütlich am Kaffeetisch. Auch das gehört zu dem Kurs. „Das ist total toll hier. Der Verein ist sehr offen, wir wollen hier alles ausprobieren“, sagt Renate Beck. Verein reagiert auf demografische Entwicklung im Stadtteil Für die Vereine ist das also auch eine Chance, neue Mitglieder zu gewinnen oder ältere wieder in Bewegung zu bringen. Schon vor diesem Projekt, für das die Sportvereinigung den ersten Preis beim Rudi-Assauer-Award 2013 erhalten hat, haben die Feuerbacher Kurse im so genannten „Memory-Sport“ an geboten. Die soll es auch weiterhin geben. „Dieses Angebot passt auch zu Feuerbach“, sagt Kerstin Zentgraf, denn im Stadtteil wohnen vergleichsweise viele ältere Menschen. Renate Beck und ihre Bekannte wollen jedenfalls Mitglieder werden, wenn die Gruppe im drittgrößten Verein Stuttgarts abgeschlossen ist. Vor ihrem kleinen Kaffee kränzchen standen sich die beiden Frauen im Gymnastikraum gegenüber und warfen sich jeweils einen Softball zu, den sie mit beiden Händen fingen. Das klappte ziem- lich gut. Dann erhöhte der Übungsleiter Matthieu Rogez den Schwierigkeitsgrad: Beide hielten zwei Bälle in ihren Händen, warfen sie sich wieder gleichzeitig zu und mussten sie parallel fangen. Das gelang mal – und es gelang mal nicht. Aber mal ehrlich: Wer kann schon immer zwei Bälle gleichzeitig fangen? Matthias Jung Erschienen in Sport in BW, 12/2016
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