Sportvg Feuerbach Info 02/2012

8 Sportvg Feuerbach Stuttgarter Nachrichten, 12. Juni 2012 Bei Krebs hilft Bewegung Pilotprojekt in Stuttgart bietet Sportkurse während Behandlung Von Heidemarie A. Hechtel Früher wurden Krebspatienten vor allem geschont. Derzeit findet ein Umdenken statt. Mediziner gehen davon aus, dass Sport während der Behandlung die Heilungschancen um bis zu zehn Prozent erhöht. Das Interesse am Stuttgarter Pilotprojekt Sport bei Krebs ist deshalb groß. Lothar Härdtner hat Lungenkrebs. Akut. Bei dem 60-Jährigen wurde im März erneut ein Karzinom diagnostiziert, jetzt ist er mitten in der Chemotherapie. Als einziger Mann neben zehn Damen folgt er an diesem Nachmittag im Fitness- und Gesundheitszentrum Vitadrom der Sportvereinigung Feuerbach 1883 e.V. den Anleitungen von Kerstin Zentgraf für leichtes Ausdauertraining, Kräftigung, Beweglichkeit und Koordination. „Früher war ich stinkfaul“, bekennt er, „aber jetzt ist dieses Training ganz wichtig für mich.“ Dazu statt Trägheit regelmäßiges Nordic Walking: „Weil Bewegung und körperliche Betätigung auch mental aufbauen“, hat er erkannt. Das Training bei Kerstin Zentgraf, zweimal 55 Minuten in der Woche, ver- säumt er nur, wenn ihm die Chemo zu sehr zusetzt. Wie letzte Woche: „Da fühlte ich mich zu schlapp, die Blutwerte waren am Boden.“ „Wir wollen Krebspatienten nicht mehr in Watte packen“, sagt dazu Jan Schleicher (52), Leitender Oberarzt am Klinikum Stuttgart. Für die Leukämiepatienten stehe daher im Katharinenhospital der Ergometer schon neben dem Krankenbett, berichtet der Onkologe und Hämatologe: „Bewegung gehört neben guter Ernäh- rung, viel Schlaf und dem Verzicht auf Zigaretten und Alkohol zu den wichtigsten Voraussetzungen, um die Krankheit zu überwinden und wieder gesund zu wer- den.“ Knochen und Sehnen würden stärker und belastbarer. Also nur keine falsche Schonung: „Damit handelt man sich Muskelschwäche, die Fatigue-Syndrom genannte Erschöpfung und Depressionen ein.“ Der Mediziner würde nie behaupten, dass man mit Sport den Krebs besiegen könne, obwohl immer wieder von entspre- chenden „Wundern“ berichtet werde. Es gebe aber gute Hinweise, dass Sport die Heilungschancen um etwa zehn Prozent verbessere und das Risiko für Dickdarm-, Brust- und Gebärmutterschleimhautkrebs vermindere. „Wie die Mechanismen wirk- lich ablaufen, weiß man nicht“, bekennt der Mediziner, „aber wir wollen diesen Effekt so früh wie möglich nutzen.“ Schleicher hat die Leitung des Pilotprojekts „Sport bei Krebs“ übernommen, das von Wilfried Hurst angeregt wurde oder, wie er selbst es salopp-schwäbisch ausdrückt, „auf seiner Miste gewachsen ist“. Nicht nur, weil für den langjährigen Speerwurf- Bundestrainer und ehemaligen Direktor des Landesinstituts für Schulsport, Schul- musik und Schulkunst dem Sport seit jeher existenzielle Bedeutung zukommt, sondern weil er selbst zu den Betroffenen zählt, seit bei ihm vor sechs Jahren eine chronisch myeloische Leukämie festgestellt wurde. Zusammen mit Schleicher, der Sportwissenschaftlerin und Übungsleiterin Kerstin Zentgraf von der Sportvereinigung Feuerbach, dem Sportmanager Harry Kiebele vom VFL Sindelfingen und Professor Dr. Martin Huonker, dem Leiter der Sportärzteschaft im Württembergischen Landessportbund, wurde ein Curriculum für Übungsleiter entwickelt, das seit Januar bei den beiden Vereinen erprobt wird. Das Interesse von akut erkrankten Krebs- patienten an diesem Angebot sei über- raschend groß, versichert Hurst. Allein in Feuerbach hätten sich 18 zum Teil Schwerstkranke gemeldet. Wie Daniela Bleicher. Die 42-Jährige, Mutter eines vier- jährigen Sohns, erkrankte an Leukämie, erlitt einen Rückfall, lag jeweils monate- lang im Krankenhaus und hat jetzt eine Stammzellentransplantation hinter sich.

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